Teil 2: Der große Unterschied – oder das metaphysische Übel
Das Coronavirus führt es uns schmerzlich vor Augen. Wir alle sind sterblich, ja es kann einen früher treffen, als man es denkt. Schockierende Bilder aus Italien bringen den Tod in unser Wohnzimmer. Einen Tod, der in unserer Gesellschaft immer mehr an den Rand rückt, ist plötzlich sehr präsent, ja, wird zum Gespräch zwischen Großeltern, Eltern und Kindern. Auch wenn Christen auf den Himmel verweisen können, bleibt doch dieses eine Übel bestehen. Wir sind endlich! “Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du wieder werden”. Wir sind Geschöpfe wie andere, endliche Geschöpfe in einer endlichen Welt. Wir sind nicht vollkommen. Wir sind nicht Gott. Das ist der große Unterschied.
An dieser Begrenzung leiden wir, ob im Blick auf andere oder uns. Doch diese Grenze gehört zur geschaffenen Welt. Es ist nicht nur eine zeitliche Begrenzung. Es ist auch eine räumliche. Wir können nicht immer überall sein. Wir können an der Qual der Entscheidung leiden. Damit ist auch folglich klar, dass wir nicht nur allgemein in der Macht, sondern auch konkret in unserem Wissen begrenzt sind. Mal erleben wir den einen Faktor, mal den anderen als Übel, mal mehr, mal weniger. Dieses Übel nennt man das metaphysische. Es geht über die Physik hinaus. Es ist die Konsequenz des großen Unterschiedes zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung. Wir sind nicht seine Duplikate.
Die Begrenzung unseres Wissens ist dabei auch der Grund, warum es keine Antworten auf die Frage nach dem Leid geben kann, die den Anspruch eines Beweises haben können. Alle theologischen oder philosophischen Versuche müssen daran notwendig scheitern, seien sie christlich oder nicht. Dazu bedürfte es eines göttlichen Standpunktes, jenseits des Universums von Raum und Zeit.
So leicht zu verstehen ist, dass aus dem großen Unterschied zwischen Gott und Mensch, Leid an der Begrenzung wachsen kann, so wirft es doch ein Licht auf unsere Existenz. Warum können wir dieses Maß so schwer akzeptieren, sind gar so maßlos? Es ist die alte Geschichte vom Menschen, vom Sein-Wollen-wie Gott und seinem Nicht-Aushalten-Können, nicht so zu sein. Wir können Gott nicht Gott sein lassen. Es ist die Geschichte vom Garten Eden. Es ist die Geschichte von uns allen.
Es ist spannend zu sehen, dass dieses Defizit der Begrenztheit der große Philosoph und Gottesleugner Nitsche als Grund dafür ansah, warum Menschen glauben – eben um es irgendwie zu überwinden. Zugleich aber lässt er seinen Zarathustra sprechen: Wenn “es Gott gäbe, wie hielte ich’s aus, kein Gott zu sein! Also gibt es keinen Gott”. Die psychologischen Erklärungen, die man für den Glauben von Menschen anführt, werden immer zugleich im Umkehrschluss zu Erklärungen, warum Menschen nicht glauben. So erklären manche im Anschluss an Sigmund Freud, dass Gott Projektion der Menschen sei, da sie sich nach einem behüteten Leben sehnen. Genauso könnte man im Nicht-glauben-können an Gott mit dem Psychater Manfred Lütz den Wunschtraum entdecken auf Erden eine sturmfreie Bude zu haben, wo man am Ende tun und lassen kann, was man will. Verständlich, dass sich das manche wünschen.
Warum gibt es das Leid in der Welt? Die erste Antwort muss lauten: Weil wir endlich sind. Diese Antwort zeigt, warum kein Mensch sie abschließend beantworten kann. Diese Antwort kann zudem nur eine vorläufige Antwort sein, da sich Anschlussfragen stellen. Im Bild gesprochen, gibt sie nur die Himmelsrichtung vor, in der das Ziel zu finden ist, konkrete Fragen zum Weg stellen sich: Warum können Menschen anderen Leid zufügen? Warum gibt es in der Welt Gottes menschlich unverschuldetes Leid?
Es folgt Teil 2. Wer nicht warten kann, kann sich telefonisch bei mir melden (06446-329). Die ganze Reihe am Stück kann man unter www.feg-frankenbach.de lesen.
(c) Raphael Vach