Emmi Blüder aus Frankenbach, dritter und letzter Teil

Emmi kann auch ernst gucken

In den ersten 50 Lebensjahren hat Emmi die meisten Lebensmittel für ihren Haushalt selber produziert.
Ein wichtiger Wintervorrat war der selbstgemachte „Hink“. Er wurde aus Zuckerrüben zubereitet, die natürlich auf den eigenen Feldern gewachsen waren. Dazu mussten die Rüben gründlich gereinigt, zerkleinert und gekocht werden. Zerkleinert wurden sie in einer Rübenmühle, die es in jedem landwirtschaftlichen Betrieb gab, musste doch das Futter für die Schweine auch zerkleinert (und in der Regel mit anderen Zutaten gemischt) werden.

links Rübenmühle, rechts 2 Latwerge-Rührer (Museum Alzey)

Anschließend wurde der Saft ausgepresst und nun unter Zugabe geschälter Birnen und entsteinter Zwetschgen stundenlang im Waschkessel gekocht, bis er dick war. Dabei musste ununterbrochen gerührt werden mit einem Hinkrührer (oder Latwergerührer). Das ist ein langer Stiel, an dem ein Holz befestigt ist, das sich an die Rundung des Kessels anpasst. Der extrem lange Stiel ist nötig, weil die heiße süße Flüssigkeit beim Kochen spritzt und schwere Verbrennungen hervorruft. Beim Rühren half die ganze Familie, manchmal auch die Nachbarschaft. Der fertige Hink wurde in Milchdippe gefüllt und mit Papier verschlossen. So hätte er theoretisch mindestens drei Jahre lagern können. Da ein Kessel voll als Wintervorrat für die Familie nicht reichte, hat man mehrmals im Spätherbst Hink eingekocht. Hink war ausgesprochen beliebt in Emmis Familie.

Emmi erzählt über den Vorgang des Hink-Kochens

Über ihren Schulbesuch – 1937 – 1945 -spricht Emmi nur kurz. Ihre Kinder sind noch in dieselbe Schule gegangen. Es ist das Gebäude Frankenbacher Straße 24. Heute hat dort ein Zahnlabor seine Geschäftsräume.

Die alte Schule
Die Schulklasse von Emmis Sohn, geboren 1961
Über den Schulbesuch und schlechte Zeiten

Emmi Blüder hat es in ihrem Leben oft nicht leicht gehabt. Ihr Vater starb sehr jung, (Siehe Bericht eins). sie selber heiratete mit 19, bald wurden die Zwillingsmädchen geboren. Der Sohn kam 1961 so krank auf die Welt, dass die Ärzte trotz sofortiger Operation nicht an sein Überleben glaubten. Er wurde nie wirklich gesund, lebt aber immer noch. Am schlimmsten getroffen hat sie der tödliche Unfall einer Enkeltochter 1980. Aber zu dem Zeitpunkt war sie selber schon so krank, dass sie auf keine Beerdigung und sogar nicht mehr in die Kirche ging, die ihr davor sehr viel bedeutet hatte. Seit vielen Jahren war sie nicht mehr draußen.
Wir haben Emmi gefragt, was das schönste in ihrem Leben war: Als die Zwillinge geboren wurden und ihr Aufwachsen. Sie hat auch gute Erinnerungen an die Zeit in der Zigarrenfabrik. Halt erfuhr sie durch ihren Ehemann, von dem sie sehr freundlich spricht und durch ihre warmherzige Schwiegermutter.
Wünsche an das Leben hat Emmi Blüder keine mehr. Aber sie ist nicht verbittert, sondern freut sich über das, was das Leben noch für sie bereit hält: Der Besuch der Pflegerin und der Kinder, Enkel und Urenkel, die Nachbarschaftshilfe.
Das Interview mit Emmi hat auch uns Freude bereitet. Es hat uns mehr beschäftigt als wir anfangs glaubten.

Emmi Blüder, herzlichen Dank, dass Sie aus Ihrem Leben erzählt haben!

Emmi wird am 16. Juni 2021 90 Jahre alt und freut sich bestimmt über eine Geburtstagskarte.

Interview: Eveline Renell und Christoph Haus

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