Wais froier woar Teil 2

Ein Erzähl- und Frageabend war die Idee von Artur Ruppert in der Jahreshauptversammlung des Heimat- und Geschichtsvereins Frankenbach 2023. Noch sind die älteren Mitbürger unter uns, aber wie war denn das Leben damals in Frankenbach? Wie bestritten die Ortsansässigen ihren Lebensunterhalt? Wie war das Leben im Nationalsozialismus?

v. l. Initiator Artur Ruppert (85 Jahre), ehem. Pfarrer Günter Schäfer, Herbert Ruppert (87 Jahre), Margot Schlierbach (87 Jahre), Marga Schneider (84 Jahre), Willi Schneider (88 Jahre) und Wolfgang Waldschmidt (76 Jahre).

Waren es beim ersten Teil rund 70 Besucher, so konnte die Zahl beim 2. Erzähl- und Frageabend noch gesteigert werden. Mit rund 100 Leuten war der große Saal des Bürgerhauses Frankenbach prächtig gefüllt. Anstelle von Trautchen Wack, die aus familiären Gründen diesmal nicht konnte, war der ehemalige Pfarrer Günter Schäfer zu Gast. Vorsitzender Thomas Prochazka begrüßte alle Anwesenden und gab das Wort zügig an Initiator Artur Ruppert ab. Dieser erläuterte zunächst, wie es in Deutschland zur Machtübernahme der Nationalsozialisten gekommen ist. Dies wurde anschaulich mit Bildern unterlegt. Herbert Ruppert erlebte den Krieg als Kind. “Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an diese Zeit denke. Der Krieg hat nichts Gutes gebracht. Drei Brüder meines Vaters und ein Schwager sind in Russland geblieben“, erinnerte er sich und appellierte: “Überlegt euch, was ihr heute wählt, wenn ihr zur Wahl geht.” Jeder habe sich damals sehr vorsichtig verhalten. Menschen wurden zudem durch die Propaganda manipuliert. Artur Ruppert zeigte anhand von Unterlagen, dass die Wählerinnen aus vier sozialdemokratischen Familien in Frankenbach bei der Wahl vom Bürgermeister durch gekennzeichnete Wahlscheine als „Vaterlandsverräter“ diffamiert und nach Wetzlar zum NSDAP-Kreisleiter gemeldet wurden. – Artur Rupperts Vater war ebenfalls in Russland gefallen. Auch in Frankenbach waren Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt worden.

Pfarrer Günter Schäfer erzählte, dass viele Ältere das Erlebte heute noch auf dem Sterbebett schwer belastet. Gerade durch die aktuellen Kriege in der Ukraine und Nahost. Seine Mutter war selbst mit 4 Geschwistern vor den Russen geflohen. Sechs tote Zivilisten waren zu beklagen, als Frankenbach 1945 aus der Luft angegriffen wurde, als die deutschen Soldaten auf dem Rückzug waren. Willi Schneider erzählte, dass er noch heute von damals träumt und ihm die Bilder der Toten nicht mehr aus dem Kopf gehen. Im Gegensatz zu Städtern hatte es die Landbevölkerung allerdings den Umständen entsprechend gut. Sie konnten sich durch die Landwirtschaft und Tierhaltung selbst versorgen. Viele Städter schickten darum ihre Kinder aufs Land, um an Essbares zu kommen. Tauschhandel war fast die einzige Währung, die zählte.

Kirche Frankenbach
Evangelische Kirche Frankenbach

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Freie evangelische Gemeinde Frankenbach

Im 4. Teil ging es um die zwei ortsansässigen Kirchengemeinden. Dies war Artur ein besonderes Anliegen, so gab es am Anfang doch etliche Vorurteile von beiden Seiten. Artur Ruppert skizzierte die Entstehung der Freien evangelischen Gemeinde und ihre Geschichte. Sie entstand in den 1880er Jahren, weil »in der Gemeinde eine große Unwissenheit und Unkenntnis in christlichen und kirchlichen Dingen herrschte«. Zunächst traf man sich bei Schreiner Christian Wack (er hatte 1884 Verbindung zur Neukirchner Mission aufgenommen), 1904/1905 baute die Gemeinde ein eigenes Haus.

Doch seit Mitte der 2010er Jahre ging man auch durch die Aktion ›Damit die Glocken wieder läuten‹ (Sanierung des Dachstuhles und der Kirche) aufeinander zu, traf sich mit Kirchenvorstand und Gemeindeleitung der Freien evangelischen Gemeinde zur Aussprache und zu Sitzungen. Ergebnis waren gemeinsame Aktivitäten wie das »Kerzen anzünden« im Advent, das gemeinsame große Grillfest auf der Familienwiese, gemeinsame Gottesdienste am Buß- und Bettag.

Zum 125-jährigen Bestehen überreichte Pfarrer Schäfer einen Apfelbaum. »Ich habe gelernt, sich gegenseitig zu achten, wahrzunehmen, erst einmal hinzuhören, warum wir tun, was wir tun«, so Schäfer.

Dieser 4. Teil war zwar mehr oder weniger nur ein Erzählteil, aber er war dem Initiator sehr wichtig. Auch heute noch arbeiten beide Gemeinden miteinander und sind beide ins Dorfgeschehen eingebunden. Vorsitzender Thomas Prochazka dankte Artur Ruppert, den Zeitzeugen/innen, den Helfern des HuGV und dem Publikum für Fragen und eigene Beiträge. An Teil 3 wird schon gefeilt. Themenschwerpunkt könnte dann der Wideraufbau und das Wirtschaftswunder sein. Eine einfache Veranstaltung, die andere Dörfer gerne kopieren dürfen.

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Hier geht es zu Teil 1

Bilder: C. Haus, ev. Kirchegemeinde, FeG Frankenbach
Quelle: eigene Teilnahme

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